Heine-Harzreise

 

Heinrich Heine, die Harzreise (1824), Leipzig, Philipp Reclam  jun.

 Seite 72)

Aus diesem Lärmen zog mich der Brockenwirt, indem er mich weckte, um den Sonnenaufgang anzusehen. Auf dem Turm fand ich schon einige Harrende, die sich die frierenden Hände rieben, andere, noch den Schlaf in den Augen, taumelten herauf; endlich stand die stille Gemeinde von gestern Abend wieder ganz versammelt, und schweigend sahen wir, wie am Horizonte die kleine carmoisinrote Kugel empor stieg, eine winterlich dämmernde Beleuchtung sich verbreitete, die Berge wie in einem weißwallenden Meere schwammen, und bloß die Spitzen derselben sichtbar hervor traten, so daß man auf einem kleinen Hügel zu stehen glaubte, mitten auf einer überschwemmten Ebene, wo nur hier und da eine trockene Erdscholle hervortritt. Um das Gesehene und Empfundene in Worten fest zu halten, zeichnete ich folgendes Gedicht:

 

 

        Heller wird es schon im Osten

        Durch der Sonne kleines Glimmen,

        Weit und breit die Bergesgipfel

        In dem Nebelmeere schwimmen.

         

        Hätt' ich Siebenmeilenstiefel,

        Lief' ich mit der Hast des Windes

        Über jene Bergesgipfel,

        Nach dem Haus des lieben Kindes.

         

        Von dem Bettchen, wo sie schlummert,

        Zög' ich leise die Gardinen,

        Leise küßt ich ihre Stirne,

        Leise ihres Munds Rubinen.

         

        Und noch leiser wollt' ich flüstern

        In die kleinen Lilienohren:

        Denk' im Traum, daß wir uns lieben,

        Und daß wir uns nie verloren!

         

 

 

 

 

 

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Kommmentar: Dieses wunderschöne Gedicht entführt mich in das sonnige Frühjahr 1961. Nämlich zu Helga, die aus dem Harz nach Westen kam und kurz im Gießener E-Heim als Durchgangsstation wohnte. Im nahe gelegenen Bergwerkswald lernte ich sie und ihre Freundin bei einem Spaziergang kennen.

 

 

 

 

 

 

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